Xontormia Express 0529

Aus Eressea
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    Erschienen am siebenten Tag der ersten Woche des Monds
     der milden Winde im Jahre 13 des zweiten Zeitalters.
                        Es ist Frühling.



11. Welt

Die Jadepaläste – zwischen den Welten

Hell strahlend leuchtete das Blau, Grün und Türkis der Jadepaläste in das schier endlose Nichts. Stolz und hoch ragten die Türme, Mauern und Zinnen, auch ohne Wind schwangen sanft die prächtigen Fahnen auf ihnen. Die Paläste des Drachenkaisers waren ein Ort, wie man ihn sich unwirklicher kaum vorstellen konnte. Die Paläste standen einfach so da, ohne Sockel, ohne Boden. Kein Hügel, auf dem die hohen Mauern prangten, kein Graben, der die Befestigungen umgab. Sie ragten unvermittelt auf, mitten im Nichts. Umgeben waren die Palastanlagen von der hohen Wehrmauer und dann begann schon die Leere. Wie ein Kleinod umhüllte Zeitlosigkeit die Paläste, schmiegte sich an sie und ließ Anfang und Ende der kaiserlichen Paläste in Unkenntnis verschwimmen. Selbst wenn die Gebirge zu Wüsten zerfallen waren und die Ozeane zu Land wurden, würden diese Mauern und Gebäude noch dastehen wie sie schon immer da gestanden hatten und ewig scheint das Leben innerhalb der Mauern im immer gleichen Takt zu pulsieren.

Man mochte sich fragen, wofür dieser Ort eine Mauer benötigte – wäre nicht drängender die Frage: Wie kann ein solcher Ort überhaupt existieren?

Hinter den hohen Mauern und Türmen erstreckten sich meilenweit Gärten, Palastanlagen und Höfe. Ein eigenes kleines Universum, in dem geschäftig die Beamten, Kurtisanen, Spielgefährten, Jadedrachen und Bediensteten ihren Aufgaben nachgingen. Ein Treiben, wie es lebhafter auch in einem Ameisenhaufen kaum sein konnte. Der gesamte Palast atmete im stetigen Rhythmus der nicht enden wollenden Zeremonien. Die Gesandtschaften, welche den zuständigen Beamten ihre Präsente überreichten, die Adeligen, welche Recht gegeneinander sprechen ließen, die Höflinge, welche Intrigen sponnen und die mächtigen Jadedrachen, welche die Geschicke des Reiches leiteten. Alles war eingebettet in die allmächtige Form von Zeremonien und höfischer Etikette. So bebte der Hof zwar voller Leben, tat dies aber gesittet und voller Würde.

Der Jadepalast war ein Ort zwischen den Welten, manche der Türme und Paläste des kaiserlichen Hofes befanden sich auf Eressea und bewachten die Länder des Kaiserreiches. Es war schwer zu sagen, ob sie sich von Eressea hierher oder von hier gen Eressea spiegelten. Tatsache war: Veränderte man die Gebäude auf Eressea, so wandelten sie sich auch hier. Oder war es genau umgekehrt? War es vielleicht so, dass sich hier die Gebäude einfach nach Wunsch veränderten und deshalb auf Eressea Heerscharen von Arbeitern zusammen liefen, um die Veränderungen dort vorzunehmen? Es hieß, dass von hier aus die Stränge der Macht auch in andere Welten liefen, aber wer mochte dies schon überprüfen, geschweige denn bestätigen...

Nur im Zentrum der Palastanlagen gefror das Leben und stand die Zeit. Hier wo der mächtige beschuppte Leib des Drachenkaisers ruhte und seinen ewigen Schlaf hielt. Um ihn herum die Traumdeuter, welche die Wünsche und Befehle des Jadekaisers aufnahmen und in der möglichen Eile weiter leiten ließen – denn schnellere Bewegungen als bedächtiges Schreiten waren hier Tabu und kein Wort durfte in den heiligen Hallen gesprochen werden. Nur in den wichtigen Dingen ließ der Kaiser seine Befehle verkünden und die alltägliche Arbeit wurde von den Jadedrachen geleistet. Trotzdem schien es, als durchschaue der schlafende Blick des Drachenkaisers nicht nur seine Paläste, sondern das gesamte Kaiserreich. Wann immer es einen Grund gab zu handeln, so musste der Kaiser nicht gebeten werden und seine Befehle wurden augenblicklich an die Traumdeuter übermittelt.

In letzter Zeit gab es immer häufiger einen Grund dazu, dass der Kaiser ein Machtwort sprach, denn das Reich war groß und mächtig geworden. Und mit der Macht wuchsen die Neider und mit den Neidern wuchs die Macht.

Zehntausende Krieger bewegten sich auf einen Wink des Drachenkaisers, Magier ließen auf ein Lidzucken die Tore zu den Höllen aufreißen - oder das Paradies auf Eressea entstehen. Silber wurde tonnenweise von Feste zu Feste geschafft und in emsigen Reigen drehten sich Karawanen auf ihren Runden und riesige Schiffe stachen in See. Alles was sich der mächtige Wyrm erträumte geschah.

Nahe der Ruhe des kaiserlichen Hofes saßen die Jadedrachen zu Rate und hier pulsierte der Hof am stärksten. Trotz der Zeremonien, deren Pulsschlag auch die prächtigen Jadedrachen durchfloss, war hier beinahe so etwas wie ein Hort der Unruhe und der Anarchie! Hier waren die einzig wachen Gestalten, welche nicht durch die Zeremonien gebunden waren, außer durch jene, denen sie sich freiwillig unterwarfen. Der Hof, an dem sich die Jadedrachen berieten, hieß Konventsaal und befand sich auf Eressea gut versteckt in den Gebirgen des Kaiserreiches. Hoch thronte er dort über den Zinnen und Pässen der Berge, seine Mauern und Säulen kunstvoll gehauen und geschliffen von meisterlicher Zwergenhand. Hier in den Palästen stand er zum Großteil zu ebener Erde, nur wo auf Eressea höher gelegene Teile auf anderen Teilen als dem Zentralmassiv standen, ragten die Felsen originalgetreu aus den Marmorplatten des Palastbodens.

Hier wurden die Pläne für das Reich geschmiedet und hier wurde Rat gehalten. Hier wurden die Geschicke des Reiches bestimmt – wenn der allmächtige Ruf des Kaisers nichts anderes befahl. Genau darin bestand die eigentliche Macht des Reiches, denn so unterschiedlich und vielfältig die Interessen der Jadedrachen auch manchmal waren, bevor das Reich dadurch gelähmt wurde, verkündete der Kaiser seinen Willen und seine Vasallen folgten.

Es hieß, der Drachenkaiser sei einst einer von ihnen gewesen, während andere behaupteten, der Drachenkaiser bewege sich in anderer Gestalt unerkannt unter ihnen. Die Feinde des Reiches hatten mal diesen, mal jeden im Verdacht, der Drachen zu sein. Doch wenn es jemand wusste, und dafür kamen zuerst die Jadedrachen in Frage, so wurde dieses Geheimnis gehütet und blieb hinter den Mauern der Jadepaläste.

Ohnetta Kohlberg
Drachenpranke des Südens



Ein monumentalischer Ort. Doch ist er wirklich mehr als ein Traum? Wer ihn je außerhalb von Träumen sah, möge davon doch berichten.

Vielleicht darf ich jenen Spion dort (es ist schwer ihn in der Geschichte oben zu entdecken, und doch existiert er) seine Sicht der Dinge schreiben? Natürlich anonym.