Xontormia Express 1274: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 11. Oktober 2024, 14:55 Uhr
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Neue Welt
Der Blutgott
Die Klippe über der Ashra-See, das Meer heute aber blau und glattgestrichen. Ein paar weiße Wölkchen am Himmel, harmlos wie Schafe. Die Fischerboote wirken mit ihren ausgefahrenen Rudern wie Insekten, die langsam unter der Klippe vorbei kriechen.
Gutes Wetter gute Arbeit, ging eine Redewendung der hiesigen Bauern. Krobav konnte das gut nachvollziehen. Bei gutem Wetter ging einem selbst die schwersten Tätigkeiten einfacher von der Hand. Doch es bedeutete auch, dass sich noch weniger als sonst für eine Andacht an den Nordischen Erzeuger interessierten.
Umso überraschter war sie, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, sie auf ihrer Klippe zu besuchen. Es wäre auch einfacher gewesen – den halben Tag hatte sie vor ihrem Zelt sitzend verbracht. Und auch später hätte man sie wieder im Dorf antreffen können. Doch die knirschenden Schritte auf dem kiesigen Weg konnten nur Besuch für Krobav bedeuten.
Ihre Hand ging zum Griff ihres Beils. Sie konnte zwar nicht glauben, dass sich jemand die Mühe machen würde, ausgerechnet sie anzugreifen. Kaum einer im Dorf kam zu den Andachten des Nordischen Erzeugers, und noch weniger gaben Silber dafür aus. Krobav war arm, und auch das war kein Geheimnis. Doch Krobav war vorsichtig. Eine Hand auf der Waffe hatte noch nie jemandem geschadet.
Sie war überrascht, als sie den alten, grauhaarigen und grauhäutigen Ork aus dem Buschwerk treten sah, gebückt und sichtlich erschöpft vom harten Anstieg. Gelbe Augen, ein einziger, abgebrochener gelber Hauer im Kiefer, eine grauhäutige Glatze mit zahlreichen schwarzen Altersflecken.
„Häuptling Kragash“, begrüßte sie ihn mit einem Kopfnicken. Und weil sie noch nie ein Freund vieler unnötiger Worte gewesen war, fügte sie hinzu: „Warum hier oben?“
„Zu viele Ohren, zu viele Wackelzungen“, erwiderte der alte Ork. Seine Stimme ließ den Mann erahnen, der er einst gewesen war, ein Kriegshäuptling, der manchen Überfall geführt, manch Scharmützel geschlagen hatte.
Aha. Krobav zog die Augenbrauen nach oben. Ein privates Gespräch mit dem Häuptling. Krobav konnte sich nicht erinnern, jemals unter vier Augen mit Kragash gesprochen zu haben, selbst früher nicht, als das Dorf Kargaran noch kleiner und Kragash viel unbedeutender gewesen war. „Eine private Audienz also.“
Kragash grunzte verächtlich. „Audienz. Wir sind hier doch nicht beim alten Adel!“
„Junger Adel vielleicht?“, lächelte Krobav, womit sie an die vielen Maßnahmen anspielte, mit denen Kragash versuchte, das Dorf, den Stamm und nicht zuletzt auch sich selbst zu neuer Größe zu führen.
Der Häuptling machte eine wegwerfende Geste.
Mittlerweile war er neben sie getreten und starrte hinaus auf die See. Krobav vermutete, dass er nach Worten suchte, und ließ ihm die Zeit. Stattdessen sah sie selbst nach draußen, beobachtete die grauen Formen, die um eines der Boote herum strichen. Haie oder Delfine, wunderte sich Krobav, vermutete aber Delfine. Bei Haien stünden die Fischer längst schon mit ihren Harpunen parat.
„Was kannst du mir zu Khaine sagen?“, fragte Kragash schließlich.
Überrascht sah Krobav zu ihm. Ein Schauer lief ihren Rücken hinab, trotz der Wärme des Sommertages. Kurz dachte sie an den Umhang, den sie in ihrem Zelt zurückgelassen hatte; dann zwang sie sich zur Ordnung. „Der Bluthändige“, antwortete sie. „Nicht allzuviel, fürchte ich. Unten in den Tälern gibt es Schreinwächter und reisende Priester, die dir mehr zu ihm erzählen können als ich.“
„Ich frage aber keinen Schreinwächter und keinen reisenden Priester“, knurrte der Häuptling. „Ich frage dich.“
Krobav nickte. „Khaine. Der Bluthändige. Der Lord des Mordes. Er hat noch andere Namen: Der Kriegszündler. Der feurige Schlächter. Der Scharfrichter. Der Todbringer…“
Kragash winkte ab. „Keine Namen mehr. Ich glaube, ich habe die Tendenz verstanden. Und die Priester? Fanatische Berserker?“
„Fanatiker gibt es in jeder Priesterschaft.“ Selbst in der des Nordischen Erzeugers. Doch Alter brachte Ruhe, hieß es doch. Und da der Kult des Nordischen kaum noch neue Anhänger hervor brachte, war es still geworden um Fanatiker in Krobavs Religion.
„Also nichts Besonderes?“, hakte der Häuptling nach.
„Das Übliche.“
„M-hm.“ Damit starrte Kragash wieder über die See, vermutlich ohne zu sehen, was sich vor seinen Augen abspielte. Es waren die inneren Dämonen, die ihn plagten, das war ihm deutlich anzusehen. Selbst wenn der Gesprächsverlauf dies nicht längst klargemacht hätte.
Die Stille zog sich in die Länge, sodass sich Krobav schließlich wunderte, worauf der Häuptling wohl noch wartete. Hatte er noch mehr zu sagen? Oder wartete er darauf, dass sie das Gespräch weiter trug? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er einfach nur noch hier stand, weil er die Aussicht genoss. Und zu erschöpft für den Weg zurück ins Dorf wirkte er auch nicht.
„Warum interessierst du dich für Khaine?“ Obwohl Khaine ein Elfengott war, waren seine Dogmen Motive, die vielen Orkstämmen auch gut standen und die ihm deswegen folgten. Der Bruchzahnclan war jedoch friedlicher eingestellt als die meisten anderen Orkclans, weshalb Krobav sich unsicher war, wohin das plötzliche Interesse des Häuptlings an dieser Gottheit führen sollte.
„Ein Späher ist auf eine Gruppierung gestoßen“, antwortete Kragash nach kurzem Zögern. „Blutelfen. Heuern stark an, wollen größer werden. Behaupten, Khaine persönlich hätte sie in dieser Welt ausgesetzt.“
Krobav runzelte die Stirn ob dieser Blasphemie, wo doch klar war, dass der Nordische Erzeuger die Völker in den Welten verteilte, kein Khaine und auch kein anderer.
„Sagen ganz offen, sie wollen diese Welt erobern. Sie und ihre vier Verbündeten, die sie aus ihrer alten Welt mitgebracht haben. Nach dem, was du mir nun erzählt hast, passt das alles zusammen. Blutelfen, Khaine, Krieg und Eroberung.“
Krobav‘s Mund war trocken geworden. So wie Kragash das sagte, klang das fast schon wie eine Kriegserklärung. „Und?“, brachte sie hervor. „Was wollen sie von uns?“ Silber, Gold, Tribut, Land, Sklaven und Blut, vielleicht noch in anderer Reihenfolge…
Doch Kragash überraschte sie mit seiner Antwort. Seine gelb unterlaufenen Äuglein funkelten zornig, seine Zähne waren gebleckt, seine Hände zu Fäusten geballt, als er antwortete: „Sie wollen von uns, dass wir bei ihnen mitmachen.“
Mitmachen! Krobav schnaubte. Mitmachen… Bei der grausamen Unterwerfung dieser Welt, unter dem fauligen Banner des Bluthändigen. Das war nicht das, wofür der Bruchzahnclan stand, wofür die Ältesten immer und immer wieder die gleichen Reden hielten, die gleichen Diskussionen führten. Weshalb die Steuereintreiber des Clans versuchten, es beim Rauben zu belassen anstelle zu plündern und zu brandschatzen. Weshalb eine Gottheit wie Khaine im Stamm keine relevante Verbreitung erfahren hatte.
Doch was war zu tun? Führten sie nicht mit diesen Khaine-schen Blutelfen Krieg, würden diese früher oder später gegen den Clan Krieg führen. Der Krieg kam, es musste nur noch entschieden werden, ob mit oder gegen diese Blutelfen. Mit oder gegen ein Bündnis von Fünf.
Grimmig starrte Krobav auf das Wasser unter ihr. Sie bemerkte kaum, wie Kragash langsam davon schlurfte und sie alleine ließ.
- so beobachtet am Rande des Dorfs Kargaran, Bruchzahnclan, Rabenstamm
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