Xontormia Express 1272

Aus Eressea
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Wir schreiben die letzte Woche des Monats Sturmmond im Jahre 41 des zweiten
                        Zeitalters. Es ist Herbst. (16.07.2022)



Neue Welt

Der Preis des Geldes

Der Schankraum eines Gasthauses. Ein paar Tische und Stühle, ein Tresen, ein paar Öllampen an den Wänden. Ein fetter grauhäutiger Ork hinter dem Tresen, den Ellbogen auf das Holz gestützt, das Kinn auf der Hand, gelangweilt ins Leere blickend. Auf die Tische verteilt ein Dutzend Gäste – vor allem Orks, ein paar Menschen, sogar eine Katze.

Akraz saß in einer Ecke, einen Krug Bitterbier vor sich auf dem Tisch. Es war bereits sein dritter. Einer gegen den Durst, ein zweiter gegen Durst, der später gekommen wäre. Wofür der dritte war, hatte er sich noch nicht abschließend ausgedacht. Gegen den Durst am nächsten Morgen konnte es nicht sein. Akraz hatte die Erfahrung gemacht, dass der Brand tags darauf umso schlimmer wurde, je mehr man am Abend trank.

Es war ein rottiger Tag gewesen. Einen halben Tagesmarsch im Westen hatte seine Rotte ein Fischerdorf überfallen, doch die Fischer waren so arm gewesen, dass dort kaum etwas zu holen gewesen war. Und am Nachmittag... Akraz zuckte zusammen, als er das laute Wimmern aus dem Nebenraum hörte. Er schnitt eine Grimasse. Am Nachmittag war passiert, was nicht hätte passieren dürfen. Anstelle eingeschüchtert ihr Silber herauszurücken hatten die Bauern in einem Weiler im Westen eine Chance gewittert, sich gegen Akraz‘ Räuberbande verteidigen zu können. Fäuste hatten gesprochen, Fingernägel und Hauer, eine Rauferei, über die man später vielleicht noch hätte lachen können, hätte nicht ein junger Ork – eher acht Jahre alt als zehn, sicher aber keine zwölf! – zum Messer gegriffen und auf Kral eingestochen. Zum Glück des Trommlers war die Klinger an seinen Rippen abgeprallt, hatte aber dennoch einen fast fünf Finger breiten Schnitt hinterlassen.

Erneut drang das Wimmern durch den Schankraum, dieses Mal noch lauter als beim ersten Mal. Akraz fühlte mit Kral. Oft genug hatte Akraz selbst am eigenen Leib erfahren, wie schmerzhaft Wundnahten sein konnten. Erst das scharfe Stechen der Nadel, dann der feurige Schmerz, mit dem das dicke Nadelöhr durch die Haut gezogen wurde, dann das Nachbrennen, mit dem der Faden hinterherlief, das ganze zwei Mal, für jede Seite der Wunde einmal, und dies für jeden einzelnen Stich.

Noch öfter jedoch als genäht zu werden hatte Akraz früher selbst genäht. Überraschenderweise hatte er mit seinen großen, klobigen Händen ein Geschick darin entwickelt und gute Nähte gesetzt, die nur sehr selten vom Wundbrand heimgesucht worden waren. Er würde es noch heute machen, doch seine Augen waren schlecht geworden im letzten Jahr. Heute konnte er das Nadelöhr nicht einmal mehr sehen, geschweige denn dass es ihm gelingen würde, noch einen Nähfaden hindurchzuziehen.

Aus dem Wimmern wurde ein plötzlicher Schrei, der in sich zusammenfiel und in einem kläglichen Winseln endete. Nadelöhr, wusste Akraz. Und noch einmal und noch einmal. Manchen Orks fiel es einfacher, den unterwarteten Schmerz im Kampfe zu ertragen als den vorhersagbaren Schmerz der wieder und wieder zustechenden Wundnadel. Kral gehörte ganz offenbar zu dieser Kategorie.

Die Tür zum Nebenraum öffnete sich, sodass einen Moment lang ein kläglicher Rest von Krals Winseln zu hören war, ehe das Geräusch wieder von der zufallenden Tür geschluckt wurde. Tabrk, Akraz‘ Spieß, trat an seinen Tisch und setzte sich ihm gegenüber.

„Bier!“, knurrte Tabrk in Richtung der Schankmagd, eine hellgrüne Orkfrau aus einer sonnigeren Region dieser Welt.

„Und“, erkundigte sich Akraz, „wie steht es da drinnen?“

Der Spieß zuckte mit den Schultern, rümpfte dann die Nase vor gespieltem Mitleid. „Wird ‘ne Zeitlang weh tun“, antwortete er schließlich. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, wurden zu einem fiesen Grinsen. „Nicht halb so weh wie dem Jungen aus dem Dorf, was?“

Akraz sah zur Seite. Nicht halb so weh ... Akraz‘ Rotte hatte dem jungen Ork übel mitgespielt, nachdem der Kral verletzt hatte. Grushak hatte ihm seine Keule ins Gesicht geschlagen, ein Hieb, der Zähne splitterte und Knochen brach. Der Junge war hart zu Boden gegangen und zuckend liegen geblieben. Er war zwar nicht sofort gestorben, war aber auch noch nicht zu sich gekommen, als Akraz mit seinen Leuten abgezogen war. Akraz vermutete, dass er das nie wieder tun würde. Entweder der Schlag oder der Sturz auf den Steinboden hatten im Kopf des jungen Orks etwas angerichtet, was nicht wieder heilen würde, soviel stand für Akraz fest.

Die Schankmagd brachte Bier für Tabrk und hatte auch einen weiteren Krug für Akraz dabei. Ein vierter Krug für…, begann er zu überlegen, beschloss aber auf halbem Wege, dass es eigentlich scheiß egal war, wofür der vierte Krug stehen könnte, und schenkte sich ein.

- so beobachtet im Gasthaus Wilder Keiler, Tributgebiet des Bruchzahnclans, Rabenstamm